Warum Frau Int-Veen sich so aufgebläht fühlt

Als aktiver Fernsehschläfer habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, zwischen den Werbeblöcken zu schlafen und pünktlich zur ausgestrahlten Reklame wieder aufzuwachen. Immer in der Hoffnung tatsächlich mal brauchbare Produktinformationen zu bekommen, die diesen Namen auch verdienen. Dass das manchmal wirklich funktioniert, habe ich erst vor kurzem wieder feststellen dürfen; allerdings auf Umwegen. Ich liege also auf dem Sofa und verschlafe den Psychothriller, auf den ich mich seit zwei Wochen gefreut habe, habe ich den Film damals im Kino aus Gründen von Terminfindungsschwierigkeiten doch verpasst. Pünktlich zur Werbung erwache ich: erstens wird der Werbeblock lauter ausgestrahlt als der Film, zweitens liebe ich Werbung, drittens knistert die Gattin mit der Chipstüte. So richtig wach werde ich dieses Mal jedoch nicht, ich bleibe auf einer Ebene zwischen schlafen und wachen hängen. Eine Etage die eigentlich meinem Unterbewusstsein vorbehalten ist. Selbiges ist offensichtlich auch nicht ganz auf der Höhe des Geschehens, wie sonst ließe es sich erklären, dass es innerhalb  eines Werbeblocks einen Clip mit Vera Int Veen und, etwas später, die animierte Reklame für einen WC-Reiniger abspeichert.

Wie allgemein bekannt und wissenschaftlich erwiesen, herrscht während des nächtlichen Schlafes in unserem Körper rein physisch betrachtet eine relative regenerative Ruhe. Von den üblichen Lebenserhaltungssystemen abgesehen ist bei uns nicht viel los, und selbst die nötigsten Systeme fahren ihren Takt herunter; Herzschlag und Atmung verlangsamen sich. Die Verdauung läuft im Hintergrund unbemerkt mit. Psychisch jedoch ist jetzt die Zeit für Halli-Galli und High Life. Unser Unterbewusstsein sichtet und bewertet, löscht und archiviert die Eindrücke des voran gegangenen Tages. Es räumt auf und schafft so Platz für den nächsten Tag. Damit wir nicht dazwischen funken, lenkt es uns ab und beschäftigt uns mit Träumen. Das klappt in der Regel auch ganz gut, wenn nicht sind es Albträume. Aber auch die sollen ja für irgendwas gut sein, sagt man.

Int-Veen

Mein Unterbewusstsein hat also in dieser Nacht wieder mal seinen Job gemacht und als ich am nächsten Morgen aufwache, ist mir klar was für ein Meisterwerk an manipulativer Werbung mir gestern Abend zuteil geworden ist. Ich kenne jetzt den Zusammenhang von probiotischen Molkereiprodukten auf der einen und Chemikalien für die Toilettenhygiene auf der anderen Seite! Sie nicht? Das ist gut, denn Sie sind die Zielgruppe.

Vera Int-Veen verrät uns in einem TV-Werbespot für probiotischen Joghurt, natürlich ganz privat, dass sie sich irgendwie unwohl fühlt, so aufgebläht, und dass sie diesen Zustand immer für vollkommen normal gehalten hat. Doch dann hat der Hersteller des bereits erwähnten Joghurtproduktes ihr einen Test vorgeschlagen, welchem sie sich auch brav unterzogen hat. Weiter erklärt uns Frau Int-Veen, dass sie durch den Verzehr dieses Joghurts bemerkte, wie sie sich nach und nach immer besser gefühlt hat. Denn die in diesem Joghurt enthaltenen rechts oder links herum drehenden Lebendbakterien, im Volksmund auch gerne Joghurtkulturen genannt, haben sich ein hehres Ziel gesetzt; nämlich sich im Körper des Konsumenten mit der ortsansässigen Darmflora zu verbrüdern, um so seine Verdauung anzuregen, die von zu viel Fastfood und zu wenig Bewegung ganz träge geworden ist.

Frau Int Veen geht es jetzt also wieder besser. Ich persönlich freue mich sehr für sie, ist mir Vera Int Veen rein menschlich doch sehr sympatisch, ihre Sendungen muss ich mir ja nicht ansehen und tue dies im Übrigen auch nicht. Aber von irgendwas muss die Ärmste ja leben, denn billig sind diese Joghurts nicht. Jedenfalls kann ich mir gut vorstellen, dass man mit ihr bei einem gemütlichen Grillabend eine Menge Spaß haben kann.

Was uns die Werbung jedoch nicht verrät, und Vera auch nicht, ist, dass der beste Joghurt nichts hilft, wenn das Klo von diesen kleinen fiesen bösartig-abstoßenden, mal ekelbraun, mal gallegrün schimmernden, ihre spitzen Reißzähne fletschenden, und offenbar in jeder deutschen Toilette beheimateten Monster-Klobakterien bevölkert ist, die nur darauf warten, dass man seinen Hintern auf der Schüssel parkt, um sich dann laut rülpsend und jubilierend auf den, lediglich seine Notdurft verrichtenden Menschen zu stürzen und diesen in Warpgeschwindigkeit mit Pestilenz oder noch schlimmerem zu überziehen.

Mal ganz im Ernst: würden Sie sich auf so ein Klo setzen? Na eben, Frau Int-Veen auch nicht. Also kaufen Sie und Vera nicht nur diesen tollen Joghurt, sondern auch noch diese martialisch dreinblickende, und höchst energisch die Klobürste schwingende WC-Ente mit dem roten Superman-Cape und der Chlorbrille über dem Schnabel. Auf das die Entschlackung nicht nur gründlich, sondern auch noch hygienisch wertvoll über die Bühne gehen möge.

Genau wie mir an jenem Morgen, müsste jetzt eigentlich auch Ihnen ein, sich von selbst ergebender, Gedanke durch das Hirn schießen: was wäre, wenn ich meine Toilette von Anfang an ordentlich geputzt hätte und es gar nicht dazu hätte kommen lassen, dass sich solche Bakterien gewordenen Alpträume in meinem Klo einnisten? Bräuchte ich dann möglicherweise gar nicht mehr diesen Spezialjoghurt zu löffeln? Weil ich mich ja wohl fühlen könnte auf meinem Klo, und nicht nur alle paar Tage mal das stille Örtchen aufsuchen würde? Gewissermaßen erst im absoluten Notfall? Noch weiter gedacht: Macht eine regelmäßig geputzte und daher sowieso dauerhaft hygienische Toilette den probiotischen Joghurt nicht komplett überflüssig?

Oder ist es vielmehr so, dass wir uns in einer, dem Marketing geschuldeten Abwärtsspirale des Grauens befinden? Weil sich ein paar nicht benötigte, und daher unverdaut wieder abgegebene, Joghurtkulturen in der Toilette einnisten und finstere Pläne schmieden? Sind also diese Zeichentrick-WC-Bakterien nichts anderes als sich überflüssig fühlende probiotische Einzelkämpfer? Und brauchen diese bemitleidenswerten Kreaturen dann nicht viel eher unsere Hilfe und unser Verständnis als Sagrotan oder Domestos?

Das wäre dann zwar theoretisch auch ein Fall für Vera Int-Veen, aber die ist durch die Joghurtwerbung für diesen Job nicht mehr vermittelbar, hat sie doch einen nicht unerheblichen Anteil am Zustand der Klo-Monster. Also bleibt eigentlich nur noch die diensthabende Betroffenheitskönigin des deutschen Fernsehens, um dieses Drama zu entschärfen. Veronica Ferres wirbt also in Funk, Fernsehen und auf Plakatwänden für ein Spendenkonto zugunsten dieser infektiösen Randgruppe unserer Gesellschaft. Die Einlagen dieses Kontos könnten dazu verwendet werden, ein neues Fernsehformat zu entwickeln in dem Frau Ferres zusammen mit einem Bakteriologen die süßen kleinen Klo-Monster von ihrer Nützlichkeit zu überzeugen versucht, und in Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit neue Aufgabenfelder erschließt; gewissermaßen bakteriologische Ergotherapie. Die Spenden setzen sich zusammen aus prozentualen Abgaben aus den Verkaufserlösen sowohl der Joghurt- als auch der Toilettenhygieneartikelhersteller und Spenden aus der Bevölkerung. Eine Beteiligung der aktuellen Regierung an diesem Fond ist nicht empfehlenswert, damit ohnehin nicht zu  verdeckende, inhaltlich-thematische Parallelen zwischen den perspektivlosen Bakterien und dem Juniorpartner der Kanzlerin nicht auch noch hervorgehoben werden. Interessenkonflikte gilt es auf jeden Fall zu vermeiden.